Die Geschichte unserer Buchhandlung


Jede Buchhandlung ist ein besonderer Ort, schon weil der hier stattfindende Handel kein gewöhnlicher ist. Bücher und Medien sind – als ‚geistige Ware’ – anders, und auch in der Begegnung von Lesern (Hörern etc.) und Händlern geht es oft um mehr als nur um Kauf und Verkauf. Was zählt, ist auch die individuelle Kommunikation realer Menschen über fiktionale Texte, aktuelle Themen, eine Geschenkidee oder einfach über Gott und die Welt, wobei Überraschungen immer möglich sind. Lesen geht eben ‚über alles’…

 

Auch die Buchhandlung J. Harder versteht sich als ein besonderer Ort. Nicht nur, weil es uns in Zeiten abnehmender Analogizität noch immer in inhabergeführter Form und buchstäblich vor Ort gibt (Reinkommen, Schauen, Schnuppern (Papier!), Anfassen …), sondern auch, weil wir als Institution seit über 140 Jahre bestehen und auf diese Weise gleich drei Jahrhunderte kennengelernt haben. Mit etwas Stolz blicken wir daher auf unsere lange Geschichte zurück. So fing sie an:

1876 – Wie alles begann

Am 1. Oktober 1876 eröffnet die Buchhandlung J. Harder in der Königstraße 96, mitten im Zentrum der damals erst 85.000 Einwohner zählenden Stadt Altona. Nicht weit entfernt befindet sich das nur zwei Wochen zuvor, am 20. September, mit einer Aufführung von Goethes „Egmont“ eingeweihte neue Altonaer Stadttheater. Es bietet rund 1.000 Sitzplätze und steht unter der Direktion von Bernhard Pollini, der zugleich die Hamburger Oper leitet. Der Buchhändler Jacob A. Harder gründet in den 1880er Jahren zusätzlich einen Verlag, in dem u.a. Bücher zu historisch-regionalen Themen erscheinen; im Jahr 1888 firmiert die Buchhandlung stolz als „Depôt der von der Königl. Landesaufnahme herausgegeb. amtl. Kartenwerke“. Als Heinrich J. N. Funke das Geschäft, das zwischenzeitlich in die Königstraße 172 gezogen ist, übernimmt, erweitert er sein Angebot um den Handel mit Kunst – die Nähe des Theaters mag für die entsprechende Kundschaft gesorgt haben.

1950 – Eröffnung des Zweitgeschäfts in Groß Flottbek

Nach einigen weiteren Inhaberwechseln wird 1932 Martin Wallenstein alleiniger Inhaber des Geschäfts. Er ist eine gut vernetzte Persönlichkeit und kann rasch wirtschaftliche Erfolge vorweisen. Das immer noch preußische Altona ist mittlerweile zu einer industriell geprägten Großstadt mit fast 250.000 Menschen angewachsen; erst 1937/38 wird es zu einem Stadtteil Hamburgs. Während die Bomben des Zweiten Weltkriegs weite Teile der Altonaer Altstadt zerstören, wird die Buchhandlung von Martin Wallenstein kaum beschädigt. Weil aber Wohnraum in der Nachbarschaft fehlt und dadurch die Kunden ausbleiben, entschließt sich Wallenstein nach dem Krieg, eine Filiale in Groß Flottbek einzurichten, wo sich die Waitzstraße langsam zur Einkaufsstraße entwickelt. Das Zweitgeschäft wird im November 1950 eröffnet und fortan von Gilda Köhler geleitet, die seit 1945 bei J. Harder arbeitet. Wie in der Nachkriegszeit üblich (und verpflichtend), betreibt man nun auch eine Leihbücherei.

Lesehunger IN der Nachkriegszeit

Der kaufmännische Erfolg setzt sich indes fort: Schon 1951 muss die Verkaufsfläche in der Waitzstraße verdoppelt werden – der Lesehunger der Nachkriegszeit ist offenbar groß, und dank der Währungsreform von 1948 liegen auch bei J. Harder die Umsätze rasch über dem ursprünglich erhofften Tagesgewinn von 50.- DM. Weiterhin zählen Theaterleute, aber auch Politiker, z.B. der spätere (1957–1960) Erste Bürgermeister Max Brauer, zu den Kunden. Der politisch unbelastete Martin Wallenstein übrigens – der sogar gemeinsam mit Felix Jud im Entnazifizierungsausschuss des Buchhandels saß – wurde am 9. August 1945 zum stellvertretenden Vorsitzenden des neu gegründeten Norddeutschen Buchhändler-Verbands gewählt.

1963 bis heute – ergänzung der Buchhandlung um ein eigenständiges Papierhaus

Im Jahr 1963 schließt Wallenstein das Geschäft an der Königstraße, das zuletzt nur noch als Lager genutzt worden war. Nach seinem Tod 1973 übernimmt Gilda Köhler den Laden in der Waitzstraße ganz, bis sie 1991 von den langjährigen Mitarbeiterinnen Beate Dennert und Ulrike Weber abgelöst wird. Die Tradition der Übernahme durch ehemalige Mitarbeiter hat sich zuletzt 2006 fortgesetzt, als Nikoletta Ehlers-Polyzou Alleininhaberin der Buchhandlung wurde. Unter ihrer Leitung ist die Firma J. Harder 2014 noch um eine Papeterie („Papierhaus J. Harder“) direkt gegenüber der Buchhandlung ergänzt worden. In beiden Läden arbeiten heute acht Angestellte und eine Auszubildende.

 

Die Geschichte von J. Harder, die heute eine der ältesten Buchhandlungen Hamburgs ist, geht also weiter – übrigens auch personell: Wir bilden aus! In der Waitzstraße sind wir eine Institution. Bei uns gehören Literatur und Leidenschaft noch zusammen, was wir im persönlichen Kontakt sowie im Rahmen von Lesungen und anderen Veranstaltungen vermitteln wollen. Dabei hilft uns ein Umfeld, das nicht nur von Literaten – von Otto Ernst und Hans Leip über Hubert Fichte, Siegfried Lenz und Peter Rühmkorf bis hin zu Mischa Kopmann –, sondern vor allem von vielseitig interessierten und literaturbegeisterten Lesern geschätzt wird. Für Sie alle sind wir – wie Sie sehen – längst auch virtuell präsent. Unser zentrales Anliegen bleibt dabei immer der Austausch über bzw. die Vermittlung von ‚geistiger Ware’ – mit dem Ziel einer Vielfalt, für die der unabhängige Buchhandel von kaum zu überschätzender Bedeutung ist. In diesem Sinne freuen wir uns schon auf den 150. Geburtstag unserer (und Ihrer) Buchhandlung im Jahr 2026, den wir gern mit Ihnen zusammen feiern. Das wäre dann nicht nur eine Besonderheit, sondern eine Auszeichnung.